Mit der Durchführung der am geplanten Änderung zur aktuellen Fassung der versorgungsmedizinischen Grundsätze werden sich erhebliche Änderungen ergeben.
Problematik und Ziele werden im bisher veröffentlichten Entwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 28.08.2018 (Referentenentwurf) wie folgt beschrieben:
„Die in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung festgelegten „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ sind auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft fortzuentwickeln.
Dabei sind die Grundsätze der evidenzbasierten Medizin anzuwenden.
Der Ärztliche Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin hat eine Anpassung der Anlage an den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und der versorgungsmedizinischen Erfordernisse empfohlen.
Diese Empfehlungen betreffen insbesondere den neu gefassten Teil A „Gemeinsamen Grundsätze“ sowie die fachspezifischen Begutachtungsgrundsätze für „Sehfunktionen und verwandte Funktionen“, für „Funktionen des hämatologischen und des Immunsystems“ und für „Muskuloskeletale Funktionen“. Die Gesamtüberarbeitung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ist Teil des von der Bundesregierung beschlossenen Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.“
Es bleibt abzuwarten, inwieweit der sogenannte Referentenentwurf noch Änderungen erfahren wird. Von verschiedener Seite gab es erhebliche Kritik hierzu. Ob der Zeitplan einer Inkraftsetzung der geplanten Änderung zum 01.01.2024 wird eingehalten werden können, wird abzuwarten sein.
Jedenfalls werden sich nicht nur die betroffenen Bürger, sondern eben auch diejenigen, die das neue Recht dann werden anwenden müssen, insbesondere auch die Anwaltschaft, auf die neuen Spielregeln einstellen müssen.
Auch wenn sich vielleicht noch einiges in Randbereichen des sogenannten Referentenentwurfes bis zum Inkrafttreten ändern wird – grundsätzliche Änderungen dürften dadurch nicht mehr zu erwarten sein.
Es besteht daher Veranlassung, sich durchaus jetzt schon Gedanken zum neuen Recht zu machen, sodass aus diesem Grunde diejenigen Passagen der versorgungsmedizinischen Grundsätze, die vom sogenannten Referentenentwurf betroffen sind, in gewohnter Weise hier dargestellt werden sollen.
Völlig umgestaltet wurden die bisherigen allgemeinen Grundsätze, die nunmehr nicht nur die Überschrift "Gemeinsame Grundsätze" tragen, sondern auch inhaltlich eine völlige Neufassung darstellen.
Die Ziffer 19, Muskoskeletale Funktionen wird neu eingeführt. In dieser neuen Ziffer befinden sich insbesondere auch die Ausführungen zu den Wirbelsäulenbefunden, die naturgemäß aufgrund der Häufigkeit ihres Auftretens in der täglichen Arbeit für Anwälte besonders bedeutsam sind und absolut durchgreifende Änderungen erfahren haben. Die im Referentenentwurf hierzu selbst enthaltenen jeweiligen Andeutungen zu den einzelnen Ziffern sind an der einschlägigen Stelle ebenfalls auf dieser Website wiedergegeben.
Ohne die Versorgungsmedizinischen Grundsätze geht im Schwerbehindertenrecht und im sozialen Entschädigungsrecht nichts. Das Ausmaß Ihrer gesundheitlichen Beschwerden und Beeiträchtigungen muß schließlich anhand einer generellen Skala irgendwie qantifiziert werden, damit auf dieser Basis dann die vom Gesetzgeber damit verknüpften Vorteile / Entschädigungsleistungen zuerkannt werden können.
Zentral ist die Bestimmung in § 69 SGB IX: "Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung nach Zehnergraden abgestuft festgestellt."
Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze setzen diese Vorgabe der Orientierung der Bemessung am Ausmaß der Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft um (siehe Teil A: Allgemeine Grundsätze).
Der juristische Hintergrund:
Die zu den alten Anhaltspunkten ergangene Rechtsprechung ist somit weiterhin zu beachten, soweit diese nicht durch die Vorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze obsolet geworden ist oder zumindest modifiziert wurde.
Worin liegt der Unterschied?
Lassen Sie sich nicht unnötig verwirren. Einen inhaltlichen Unterschied zwischen der GdB- Tabelle und der GdS- Tabelle gibt es nicht wirklich.
Es handelt sich um ein und dieselbe Tabelle nach der Versorgungsmedizin- Verordnung.
Der einzige (terminologische) Unterschied liegt darin, dass man eben im Schwerbehindertenrecht vom Grad der Behinderung spricht, deswegen spricht man insoweit mitunter auch von der GdB- Tabelle, im sozialen Entschädigungsrecht (Opferentschädigungsgesetz, Bundesversorgungsgesetz) spricht man hingegen der vom Grad der Schädigungsfolgen, deswegen GdS- Tabelle.
Beide Male handelt es sich aber um ein und diesselben versorgungsmedizinischen Grundsätze, die hier auf dieser Website wiedergegeben werden.
Sie denken, das klingt nun alles ziemlich klar und einfach - Sie müssen nur in den versorgungsmedizinischen Grundsätzen nach Ihrer Erkrankung suchen und kennen dann den Grad der Behinderung.
Leider liegen Sie da meistens falsch!
a) Das Zuordnungsproblem
Die Schwierigkeiten beginnen bereits damit, dass Sie Ihre Symptome / Beschwerden einem bestimmten medizinischen Befund bzw. einer Diagnose richtig zuordnen müssen.
Ein kleines Beispiel: Wenn Sie unter anhaltenden Schwindelerscheinungen leiden, kann dieses durch ein kardiologisches Problem hervorgerufen werden, kann durch Probleme an der Halswirbelsäule verursacht sein oder aber seine Ursache im H N O - fachärztlichen Bereich haben. Die vorstehende Aufzählung der möglichen Ursachen erhebt keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit!
Für die GdB-Bewertung ist es aber wichtig, ob die Symptome und Einschränkungen aus dem kardiologischen Bereich herrühren, eine orthopädische Ursache haben oder es sich um ein HNO- fachärztliches Problem handelt. Je nachdem müssen Sie bereits von Anfang an in ganz anderen Abschnitten der versorgungsmedizinischen Grundsätze suchen.
b) Schwer, Mittelgradig oder Leicht?
Selbst wenn Sie dieses Problem bereits überwunden haben oder es sich etwa um vermeintlich "griffige" Beschwerden wie etwa ein Wirbelsäulenleiden handelt, besteht immer noch das Problem, die Symptome und Funktionseinschränkungen in Ihrem speziellen einzelnen Fall richtig einzuordnen und zu gewichten.
Viele Widerspruchsverfahren, aber auch Klageverfahren aus dem Schwerbehindertenrecht heraus haben schwerpunktmäßig die Fragestellung, ob nun ein bestimmter Befund als leicht, mittelgradig oder gar als schwergradig einzustufen ist mit entsprechenden Auswirkungen auf den Grad der Behinderung. Wenn Sie etwa versuchen herauszufinden, ob Ihr Wirbelsäulenschaden leicht, mittelgradig oder als schwergradig einzustufen ist, werden Sie alleine mit den versorgungsmedizinischen Grundsätzen erhebliche Probleme haben.
Es gibt allerdings auch einige (wenige) Befunde, die von den versorgungsmedizinischen Grundsätzen eindeutig mit einem klar vorgegebenen Grad der Behinderung einzustufen sind.
Als Beispiel hier wäre etwa die maskenpflichtige Schlafapnoezu nennen. Diese ist mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet. Derart klare Vorgaben (die aber merkwürdigerweise dennoch hin und wieder von der Versorgungsverwaltung in Frage gestellt werden) sind aber selten und nicht die Regel.
c) Unvollständigkeit
Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Anzahl der von den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen ausdrücklich aufgelisteten Befunde / medizinischen Diagnosen relativ begrenzt ist.
Es wird immer wieder vorkommen, dass Betroffene an einer Erkrankung leiden, die dort überhaupt nicht gelistet ist.
Man muss sich dann damit behelfen, eine Einstufung analog zu Erkrankungen vorzunehmen, die in etwa eine entsprechende Symptomatik und Auswirkungen haben.
1: Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze
Den ersten (richtigen und wichtigen ) Schritt haben Sie bereits gemacht, schließlich sind Sie auf dieser Website gelandet.
2.: Die sog. Beiratsbeschlüsse
Nach § 3 der Versorgungsmedizin-Verordnung wird beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein unabhängiger ärztlicher "Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin" gebildet, der das Ministerium zu allen versorgungsärztlichen Angelegenheiten berät und die Fortentwicklung der versorgungsmedizinischen Grundsätze entsprechend dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und versorgungsmedizinischen Erfordernisse vorbereitet
Die Niederschriften der entsprechenden Tagungen dieses Gremiums hinsichtlich der Handhabung der versorgungsmedizinischen Grundsätze und der Einordnung verschiedener medizinischer Befunde werden im Allgemeinen kurzerhand als "Beiratsbeschlüsse" bezeichnet und sind ein durchaus wichtiges zusätzliches Hilfsmittel dazu, einige Erkrankungen zutreffend einzustufen und zu bewerten. Die vorliegende Website enthält daher nicht nur die versorgungsmedizinischen Grundsätze, sondern eben auch die relevanten jeweils verfügbaren Beiratsbeschlüsse zu einzelnen Befunden und Problemstellungen.
Die einschlägigen
Wer sich intensiv mit dem Schwerbehindertenrecht auseinandersetzt und erfolgreich einen bestimmten Grag der Behinderung durchsetzen will, kommt an den Beiratsbeschlüssen selten vorbei. finden Sie auf dieser Website ebenfalls.Genauso, wie die alte Rechtsprechung zum Vorgängermodell der versorgungsmedizinischen Grundsätze, den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) weiterhin ihre Gültigkeit hat – sofern sie durch neuere Entwicklungen und neuere Rechtsprechung nicht obsolet geworden ist – soweit sind naturgemäß auch die Beiratsbeschlüsse, die noch unter der Geltung der Anhaltspunkte ergangen sind, weiterhin zu beachten. Zum Teil sind sie bereits in die versorgungsmedizinischen Grundsätze mit eingeflossen, zum Teil aber noch nicht und in aller Regel sind diese auf jeden Fall weiterhin ein wichtiges Instrument für die Auslegung der versorgungsmedizinischen Grundsätze und die Bewertung des Grades der Behinderung. Die Beiratsbeschlüsse sind daher auch insoweit auf dieser Website aufgeführt, als dass sie inhaltlich noch auf die alten Bestimmungen der Anhaltspunkte Bezug nehmen.
Um die Arbeit damit zu erleichtern, sind die Anhaltspunkte ebenfalls auf dieser Website hinterlegt. Sie erreichen diese über die Haupt- Navigation unter "AHP". Die alten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz sind alledings eher etwas für Profis oder Sachverständige für besonders verzwickte Situationen und besondere Problemlagen. Es wird ausdrücklich davor gewarnt, den Grad der Behinderung aktuell nach den alten Anhaltspunkten bestimmen zu wollen – die Gefahr, dass das schief läuft, ist gewaltig. Es hat sich da schon einiges getan. Zum Verständnis mancher Ausführungen in den Beiratsbeschlüssen mag es aber dennoch hilfreich sein, ggf. einen kurzen Blick darauf werfen zu können. Maßgeblich sind aktuell auf jeden Fall die versorgungsmedizinischen Grundsätze!
3.: Fundierte Kenntnisse der einschlägigen Rechtsprechung einschließlich des Verfahrensrechts
Auch ein noch so intensives Studium der versorgungsmedizinischen Grundsätze, der Beiratsbeschlüsse, möglicherweise auch der alten Anhaltspunkte wird Ihnen im Zweifel, wenn das Versorgungsamt eine andere Auffassung bezüglich der Einschätzung Ihrer medizinischen Befunde hat, nicht unbedingt viel weiter helfen.
Sie haben in diesem Fall die Wahl, entweder
Es ist empfehlenswert, bereits bei Antragstellung einen Fachanwalt oder jedenfalls einen auf Sozialrecht spezialisierten Anwalt hinzuzuziehen, der etwas von der Materie wirklich versteht. Spätestens bei Widerspruch oder Klageverfahren sollten Sie aber unbedingt einen Anwalt zu Hilfe nehmen.
Das gesamte Schwerbehindertenrecht, Fragen des Opferentschädigungsgesetzes und auch des Bundesversorgungsgesetzes sind definitiv nichts für "Heimwerker", sondern etwas für Profis!
Das Ganze kostet ein paar Euro, ist aber sicher günstiger als etwa der versagte Grad der Behinderung von 50 und damit die unterbliebene Feststellung der Schwerbehinderung.
Gerade dann, wenn es um den Grad der Behinderung im Schwerbehindertenrecht geht, sollte von Anfang an daran gedacht werden, dass hier wirklich relevante Dinge auf dem Spiel stehen, etwa die vorgezogene Altersrente für Schwerbehinderte, der Kündigungsschutz eines Schwerbehinderten oder auch etwa der zusätzliche Urlaub. Falsche Sparsamkeit - und nicht der Anwalt - kann hier richtig teuer werden.
Im Opferentschädigungsrecht und im Bereich des Bundesversorgungsgesetzes stehen sogar bei wesentlich niedrigeren Graden der Behinderung bzw. Graden der Schädigungsfolgen Rentenansprüche auf dem Spiel. Im Opferentschädigungsrecht gibt es eine Rente bereits ab einem GdS von 30.
Rechte wahrzunehmen setzt voraus, diese erst einmal zu kennen.
In jedem Bescheid des Versorgungsamtes dürfte auf die versorgungsmedizinischen Grundsätze Bezug genommen werden.
Es ist sicher angezeigt, sich diese einmal näher zu betrachten. Medizinische Befunde kann mann immer auf die eine oder andere Art interpretieren und bewerten.
Versorgungsämter wählen da meist den untersten denkbaren Level - Bescheide der Verorgungsverwaltung sollte man daher immer kritisch prüfen. Die vorliegende Seite ist in hervorragender Weise dazu geeignet.
Das Schlagwortverzeichnis dürfte durchaus auch für Laien einen guten Einstieg darstellen, die vorhandenen Beeinträchtigungen einmal hinsichtlich des möglichen Grades der Behinderung näher zu beleuchten. Wenn dann Zweifel an der Richtigkeit der behördlichen Entscheidung bestehen, sollte man den Weg zum Profi (Rechtsanwältin / Rechtsanwalt) nicht scheuen.
Wenn Sie auf dieser Website einen Fehler finden ...
dann dürfen Sie ihn natürlich grundsätzlich behalten :)
Für einen Hinweis wäre ich dennoch dankbar. Senden Sie einfach eine E-Mail an mail@versorgungsmedizinische-Grundsätze.de.
Das gilt natürlich auch für
Änderungswünsche, Verbesserungsvorschlage, Kritik und Anregungen für eine Weiterentwicklung.